In meinen Posts erwähne ich öfter mal den Shabbat, glaube ich zumindest. Allerdings habe ich noch nie so richtig erklärt was der Shabbat (oder auch Schabbat oder Sabbat, es ist das gleiche) eigentlich ist. Vielleicht nicht das spannenste Thema, aber der Shabbat ist halt auch nicht der spannendste Tag. Und irgendwie möchte ich mal darüber schreiben. Vielleicht auch ganz praktisch wenn ihr mal nach Israel kommt (solltet ihr wirklich, es ist echt ganz cool hier!).
Bevor ich nach Israel kam, dachte ich der Shabbat wäre einfach nur der Samstag, und für Juden sowas wie der Sonntag für Christen. Der Samstag in Israel ist also einfach nur das gleiche wie der Sonntag in Deutschland. Ich lag ziemlich falsch.
Kurz zum Shabbat: Shabbat bedeutet auf hebräisch so viel wie Ruhetag und ist der siebte Wochentag im jüdischen Kalender. Wobei Tag im jüdischen Kalender etwas anderes bedeutet als für uns. Ein Tag beginnt nach dem jüdischen Kalender mit dem Sonnenuntergang und endet mit dem Eintritt der Dunkelheit am nächsten Tag. Tag hier nach unserer Definition. Nach dem jüdischen Kalender haben wir heute den 3. Adar 5778, der jüdische und der gregorianische (also unser) Kalender werden in Israel parallel zueinander benutzt,
Hier könnt ihr Daten konvertieren und mehr darüber erfahren, falls euch das interessiert. Der Shabbat ist also religiösen Ursprungs. Nach dem alten Testament erschuf Gott die Welt in sechs Tagen und ruhte sich am siebten Tag aus. Und da wir Menschen nach Gottes Ebenbild erschaffen sind, müssen wir uns am siebten Tag der Woche ebenfalls ausruhen. Das ist sogar eines der zehn Gebote.
Nebenbei sei gesagt dass das Wochenende in Israel am Donnerstag beginnt, und der Sonntag sowas wie der Montag ist. Die meisten Leute gehen also am Donnerstagabend feiern, am Freitagabend wird zwar auch gefeiert, dann aber vor allem aber in Tel Aviv, für religiöse Juden ist sowas eher schwer mit Shabbat vereinbar. Tel Aviv ist sowieso eine liberale Blase im Vergleich zum Großteil des Landes.
Was ist also mit "ruhen" gemeint? Wer wie Jan in Physik immer ganz dolle aufgepasst hat weiß: wer ruht, verrichtet keine Arbeit (oder so). Also soll ein Jude am Shabbat auch nicht arbeiten, was nicht nur bedeutet dass man nicht zu seinem Arbeitsplatz geht. Wobei verschiedene jüdische Glaubensgemeinschaften den Shabbat unterschiedlich streng begehen.
Die strengreligiösen orthodoxen Juden (also die mit Hut, Anzug und Bart, leicht verallgemeinert) bedienen an Shabbat keine elektrischen Geräte oder Autos, schreiben nichts, bauen nichts. Etwas erschaffen ist am Shabbat verboten (Gott tat dies schließlich auch nicht), und durch das bedienen von elektrischen Geräten werden Stromkreise erschaffen. Also nicht erlaubt. Weiter unten dazu mehr!
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Im sehr weltlichen Tel Aviv muss man am Shabbat nicht auf so viel verzichten. |
Je nachdem wo man in Israel ist macht sich der Shabbat unterschiedlich stark bemerkbar. In arabischen Gegenden wie Nazareth oder großen Teilen Ostjerusalems merkt man nichts vom Shabbat, es fahren Busse und die Geschäfte sind geöffnet. Die arabischen Israelis sind schließlich Muslime, Christen oder auch Drusen.
Selbiges gilt für Palästina (bis auf die jüdischen Siedlungen dort).
Im weltlichen Tel Aviv fahren keine Busse und viele Geschäfte und Restaurants haben zu, Supermärkte haben aber oft auf und nach was zu essen muss man trotzdem nicht lange suchen.
In der Arbeiterstadt Haifa ist es ähnlich, hier fahren sogar einige Buslinien, wenn auch weniger oft.
Im teilweise ziemlich religiösen Westjerusalem jedoch steht am Shabbat praktisch alles still. Es fahren keine Busse, so gut wie nichts hat offen. Die Stadtverwaltung setzt hier den Shabbat streng durch, zur Zeit werden anscheinend sogar nicht-jüdische "Shabbat-Enforcer" gesucht, da einige entgegen der Regeln trotzdem gerne mal ihren Kiosk oder sowas öffnen. Immerhin hat das Israel-Museum am Shabbat offen, dass ist auf jeden Fall einen Besuch wert.
In Ultraorthodoxen Gegenden Mea Shearim (ein Viertel Jerusalems) oder Safed (bei Tiberias) geht jedoch gar nichts, die Straßen dahin sind am Shabbat sogar gesperrt.
Damit kommen wir zum eventuell größten Nachteil des Shabbats, zumindest für ausländische Besucher, die kein Auto haben (also für mich). Vom Freitagnachmittag bis zum Samstagabend fahren keine Busse oder Züge zwischen Städten. Zwischen den großen Städten wie Tel Aviv und Jerusalem fahren immerhin Sammeltaxis (Sheruts). Die kosten am Shabbat halt doppelt so viel wie der Bus, aber immerhin. In kleinere Städte kommt man damit allerdings nicht.
Man kommt am Freitagmorgen und -Mittag noch überall hin, und am Samstagabend eigentlich auch. Nervig ist es aber trotzdem.
Jetzt also zu den interessanten Sachen, oder Jans Shabbaterlebnisse
Ich kann diesen Beitrag leider nur mit wenigen Fotos unterstützen, den bei richtigen Shabbatfeiern darf man keine Fotos machen. Denn dann erschafft man ja was.
Die traditionellste Shabbatfeier machte ich Ende Januar mit. Im Hostel in Jerusalem traf ich Shlomo (wahrscheinlich einer der jüdischsten Vornamen den es gibt), welcher uns (Jan und zwei Tschechen) von einem Rabbi erzählte der jeden Shabbat drei Shabbatfeiern abhält, zu denen auch Nichtjuden willkommen sind. Das macht der Mann schon seit 36 Jahren jede Woche! Es war Samstagmittag, und wir gingen also mit Shlomo zum Shabbatlunch.
Kurz (ups) zu Shlomo: Shlomo ist etwa 40 und ging mir dezent auf den Zeiger. Shlomo lebt in einer jüdischen Siedlung im Westjordanland, fährt offenbar aber jeden Shabbat nach Jerusalem, und schläft dann im Hostel. Irgendwie sieht er es mit den Shabbatregeln doch nicht so eng, er benutzt zum Beispiel sein Smartphone. Wobei Shlomo kein orthodoxer Jude ist, die Bibel aber sehr Ernst zu nehmen scheint. Juden sind für Shlomo so das perfekteste der Welt und allem überlegen. Nicht-Juden, besonders Christen sind für Shlomo vom rechten Weg abgekommen. Er hat offenbar nichts gegen sie, er labert ihnen aber gerne eine Kante ans Bein, was viele in seiner Umgebung nervt (auch Jan). Shlomo möchte dabei aber nicht diskutieren, sondern eher predigen. Gegenargumenten weicht er aus und geht nicht wirklich auf Frageninhalte ein.
Und da das Alte Testament sagt die Erde sei 6000 Jahre alt, stimmt das laut Shlomo natürlich. Aber so vieles ist doch älter als 6000 Jahre Shlomo, sage ich. Shlomo stimmt mir sogar zu,
aber: Gravitation dehnt ja auch die Zeit, weswegen es ja möglich ist dass die Erde die Dinosaurier und alles durchlebt hat, aber gleichzeitig doch nur 6000 Jahre alt ist. Da die Gravitation (wie auch immer) die vom Universum oder der Sonne auf die Erde gewirkt habe die Zeit ja langsamer vergehen lassen konnte, oder so ähnlich. Und somit habe Einstein ja mit der Relativitätstheorie bewiesen, dass die Erde nur 6000 Jahre alt ist. "Was Einstein dazu sagen würde?" fragte sich Jan.
Wir kommen also an einem Haus in einer konservativen Gegend von Jerusalem an und merken: hier sind auch hauptsächlich religiöse Juden. Also immerhin ist es hier authentisch. Wir setzen uns also in einen etwas engen Raum für immerhin etwa 60 Leute. Frauen sitzen getrennt von Männern, weil Religion. Die Leute hier sind ganz gut drauf, singen sogar. Dann beginnt das Shabbatmahl auf traditionelle jüdische Art: zunächst mit dem Kiddush, dem Shabbatgebet, welches quasi gesungen wird. Dabei wird der Wein (oder hier Traubensaft) gesegnet und dass Challah, ein ziemlich leckeres Brot welches zum Shabbat gegessen wird, aufgeteilt und mit etwas Salz bestreut.
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Ich mag Challa. Am Donnerstag und Freitagmittag wird es bei Bäckern und Supermärkten verkauft, die vom Bäcker sind natürlich besser. |
Dann gibt es eine ganze Menge Essen: Humus und Salat (nice, aber in Israel nichts besonderes), gefilte Fisch (nicht so mein Fall, ist quasi gehackter Fisch), gehackte Leber (nicht so mein Fall, ist quasi gehackte Leber), Putenbruststreifen (geht klar), sowas ähnliches wie Gulasch (das war ganz lecker), und Eis (ging klar). Und Challa halt immer nebenbei
Alles in allem ein Shabbatessen auf eher Aschkenasi-Art, also wie Juden aus Mittel-oder Osteuropa es machen. Es könnte schlimmer kommen, ich ziehe die israelische Küche die von mediterranem und arabischen dominiert wird aber vor.
Gekocht wurde das alles am Freitag und mit speziellen Shabbat-Herdplatten warmgehalten. Die schaltet man vorm Shabbatbeginn ein und lässt sie bis zum Samstagabend laufen, da man den Stromkreis ja nicht unterbrechen darf. Das wäre ja Arbeit. Und natürlich ist alles koscher.
Nach dem Essen beginnt dann ein offenes Gespräch: wer etwas sagen möchte, darf aufstehen und etwas erzählen. Ob religiöser oder unreligiöser Natur ist dabei nicht so wichtig. Aber: keine politischen Themen, darüber wird hier nicht diskutiert.
Die meisten erzählen auf Hebräisch, drei Leute aber auf Englisch. Ein alter Mann fordert die Leute dazu auf ihre Unterstützung für einen Gesetzesvorschlag öffentlich zu machen, welcher es Lehrern verbietet in Sichtweite von Schülern zu rauchen. Rauchen ist in Israel noch viel verbreiteter, obwohl Tabak und Zigaretten hier teurer sind (wobei hier fast alles teurer als in Deutschland ist). Ein anderer erzählt davon, dass man an Wunder glauben sollte, das ist schon religiöser. Und worüber die eine Frau erzählt weiß ich nicht mehr. Einer der Tschechen meint ich sollte doch auch was erzählen, und bestimmt gab es auch irgendwas zu erzählen, in Deutschland war gerade Holocaust-Gedenktag. Aber ich mache es dann doch nicht.
So viel also zu einem traditionellem Shabbatlunch mit viel Gebet und Hebräisch. War auf jeden Fall schon ganz interessant, und die Jungs vom Tisch gegenüber haben ihr bestes gegeben uns alles zu erklären.
Auch eher weniger religiöse Israelis feiern den Shabbat, und unreligiöse Israelis (die trotzdem als Juden angesehen werden, Jude ist in Israel eine Nationalität, nicht nur Religion) nutzen den Tag trotzdem oft um als Familie zusammen zu kommen. Oder aber auch mit ihren Freunden.
Über die Klagemauer und Lichtschalter
Wenn man am Freitag in Jerusalem ist sollte man sich gegen sechs die Klagemauer ansehen, am Shabbat ist es hier ziemlich voll. Die Leute tragen Anzug, tanzen, singen und feiern den Shabbat. Und beten natürlich an der Mauer. Es ist eigentlich ganz interessant sich das anzusehen.
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Hier Mitte Januar, etwa gegen sechs am Freitag |
Letzten Shabbat erzählte ich also davon, und nach dem Abendessen gingen wir zur Mauer in die Altstadt. Es war schon halb zehn, aber es wird bestimmt trotzdem viel los sein.
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Ich lag falsch. |
Immerhin hatten wir die Mauer fast für uns, auch nicht schlecht. Wir gingen also noch ein bisschen durch die Altstadt und schauten uns dass jüdische Viertel an. Vor der großen Synagoge sprach mich ein etwa 25 Jahre alter Israeli an. Sie hatten ein Problem: in der Yeshiva (sowas wie eine jüdische Religionsschule) mussten Lichtschalter betätigt werden, sie hatten einige im Keller vergessen. Und Jan, ein Nichtjude, darf auch am Shabbat Stromkreise erschaffen. Also ging ich in die Yeshiva des jüdischen Viertels, um im Keller drei Lichtschalter zu bedienen. Und um ein paar von seinen Freunden vorgestellt zu werden. Ganz cool eigentlich.
Auch ganz interessant: in sehr jüdischen Gegenden gehen Fahrstühle am Shabbat in den Shabbatmodus. Damit man keinen Knopf drücken muss fahren die Fahrstühle durchgängig auf und ab und halten in jedem Stock.
Okay, so viel also zum Shabbat. Kein besonders aufregender Post würde ich sagen, aber vielleicht interessiert ja ein paar Leute. Rechtschreibfehler sind ein Zeichen für Realness und Authenzität.