Vorweg: Bei diesem Blogpost handelt es sich um einen Essay, den ich im Sommersemester 2021 für einen Kurs der Geschlechterforschung verfasst habe. Zum Posten füge ich hier noch einige Bilder hinzu. Dieser Post bildet tatsächlich auch den Auftakt für den Neustart von Janphetamin. Dabei soll es nicht nur um GeFo-Aufsätze gehen, sondern um alles, wonach es mir so steht. Ich denke dabei zum Beispiel an Filmkritiken, Reiseberichte, Texte aus der Uni wie diesen oder einfach Dinge, die mich beschäftigen. Viel Spaß beim Lesen!
Sport und Geschlecht stehen in einer engen Beziehung zueinander, beide Themen können kaum getrennt voneinander gedacht und behandelt werden, ob bewusst oder unbewusst. Wirtschaftliche, mediale und soziokulturelle Aspekte dieses Zusammenhanges von Sport und Geschlecht begegnen uns im Alltag. Ganz konkret an Fragen wie: warum spielen Mädchen seltener Fußball, warum werden Jungen seltener zum Ballettunterricht geschickt? Warum werden Sportlerinnen[1] meist schlechter bezahlt und weniger beachtet als ihre männlichen Pendants? Warum beklagen sich einige Männer, wenn eine Frau ein Länderspiel der Fußallnationalmannschaft der Herren kommentiert?
In diesem Jahr wurde die Sportkleidung von Frauen zum öffentlich diskutierten Thema. Verschiedene Gruppen von Sportlerinnen entschieden sich, die etablierten Kleidungsnormen, geschrieben, wie auch ungeschrieben, nicht länger einzuhalten. Von außerordentlichem Interesse waren hierzulande dabei drei Sachverhalte. Zunächst, im Februar, die Weigerung zweier deutscher Beachvolleyballerinnen bei einem Turnier in Katar auf das Tragen von Sport-Bikinis zu verzichten. Im Sommer folgte ein Eklat, als die norwegische Beachhandballmannschaft der Frauen während der Europameisterschaft mit Geldstrafen belegt wurde, nachdem sie demonstrativ auf das Tragen der vorgeschriebenen Bikinihöschen verzichteten. Den dritten Fall in dieser Reihe stellen vier deutsche Turnerinnen dar, welche bei der Olympiade in Tokio die kurzen Trikots gegen längere Ganzkörperanzüge eintauschten. Diese drei Vorfälle haben eine Gemeinsamkeit: Frauen widersetzten sich den Normen, die einen Ausdruck der sozialen Geschlechterordnung darstellen. In diesem Essay werde ich anhand der genannten Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit darlegen, warum die etablierten Kleiderordnungen in verschiedenen Disziplinen für Sportlerinnen überhaupt existieren und damit restriktive Einschnitte darstellen, die dem Sport eher schaden und wie Sportlerinnen diese Restriktionen überwinden können. Dabei beziehe ich mich auf die sozialkonstruktivistische Theorie von Luckmann und Berger.
Zu kurz, zu lang: Ballsportlerinnen widersetzen sich den Kleidungsvorschriften
Im
Februar 2021 machten die beiden deutschen Beachvolleyballerinnen Karla Borger
und Julia Sude ihren Beschluss öffentlich, nicht an einem Turnier der Beach
Volleyball World Tour in Katar teilzunehmen. Diese Entscheidung trafen die
beiden Frauen aufgrund der, von ihnen als restriktiv empfundenen,
Kleidungsvorschriften des Turniers. Die katarischen Organisator*innen planten,
die Teilnahme am Turnier für Frauen nur in bestimmter Sportkleidung zuzulassen.
Demnach sollten die Sportlerinnen während der Sportveranstaltungen ein Oberteil
tragen, welches die Oberarme bedeckt, sowie eine Hose, welche bis zu den Knien
reicht. Als Grund für diese Anordnung nannte der Volleyballverband den Respekt
vor der Kultur und den Traditionen Katars. Diese Kleidungsbeschränkung stellt
einen deutlichen Gegensatz zu der gewöhnlichen Sportkleidung von
Beachvolleyballerinen dar. In der Regel tragen diese nämlich Sportbikinis. Das
Team Borger und Sude, welches bereits einige sportliche Erfolge vorweisen konnte,
entschlossen sich daraufhin zum Boykott des Turniers in Katar, mit der
Begründung, nicht in ihrer gewohnten und bevorzugten Kleidung Sport machen zu
können. Zwar dementierten die katarischen Organisatoren die Existenz solcher
Vorschriften, doch dabei kann es sich nur um eine Falschaussage gehandelt
haben: der internationale Volleyballverband FIVB hatte die Bekleidungsregeln
bereits veröffentlicht. Die Entscheidung von Sude und Borger führte rasch zu
medialer Aufmerksamkeit und zu einem zurückziehen der Regeln, der Boykott hatte
also Erfolg. Dieser Konflikt zwischen Organisation und Sportlerinnen verdeutlichte
Probleme innerhalb des Sports, aber auch der Gesellschaft. Die Situation der
Frauenrechte in Katar ist schlecht, Diskriminierung ist im Alltag katarischer
Frauen allgegenwärtig, was sich besonders in einem System männlicher
Vormundschaft für Frauen widerspiegelt.[2] Zudem gilt für katarische
Frauen eine strenge Kleiderordnung: es wird von ihnen erwartet Arme und Beine
zu bedecken, sowie ein Kopftuch zu tragen. Diese repressiven Regeln plante der
Volleyballverband nun auch in ähnlicher Form für die Sportlerinnen zu
adaptieren. Dabei steht eine nicht sportlich motivierte Einschränkung der
Bekleidung von Sportlerinnen eigentlich den Zielen und Idealen des Sports
entgegen. Der Sport, und damit auch Beachvolleyball, sollten eigentlich das
körperliche und psychische Wohlbefinden stärken. Dies ist jedoch nur dann
möglich, wenn Sportler*innen sich beim Sport treiben wohlfühlen, womit auch die
freie Wahl der Sportbekleidung verbunden ist. Sofern Sportler*innen durch ihre
Kleidung, die Bekleidung ihrer Mitspieler*innen oder die ihrer Gegner*innen
nicht behindert oder gefährdet werden, oder Grenzen des friedlichen, toleranten
Miteinanders, welches den Sport auszeichnen sollte, überschritten werden,
sollte die Wahl der Bekleidung eigentlich frei und flexibel sein. Eine solche
Flexibilität ist nicht gegeben, wenn längere Sportbekleidung für Frauen
vorgegeben ist, obwohl einige Sportlerinnen die von ihnen gewohnten und
akzeptierten Bikinis bevorzugen. Noch offensichtlicher ist die Restriktivität
und Unsportlichkeit dieser Regel, wenn man sie mit den Bekleidungsvorschriften
der Männer bei Turnieren in Katar vergleicht. Diese spielen dort in den
üblichen Shorts, welche über den Knien enden, kombiniert mit Tanktops. Für die
Männer war eine ähnliche Regelung wie bei den Frauen nie vorgesehen. Dies
offenbart eine offensichtliche Missachtung des sportlichen Prinzips der
Gleichberechtigung von Sportlerinnen und Sportlern, welche eigentlich unter den
gleichen Bedingungen und Regeln am Turnier teilnehmen sollten. Wenn ein
Austragungsort nicht gewillt ist, ein Turnier unter der Gewährleistung der
Gleichberechtigung des Wettbewerbs der Frauen stattfinden zu lassen, ist dieser
Austragungsort eigentlich nicht geeignet für einen sportlichen Wettbewerb.
Zu freizügig? In dieser Kleidung spielen Männer Beachvolleyball |
Der Fall des Beachvolleyballturniers in Katar, bei welchem strengere Bekleidungsvorschriften für Sportlerinnen gelten sollten, offenbart ein Scheitern des Volleyballverbandes. Die FIVB war bereit, das Wohlbefinden von Sportlerinnen zugunsten der repressiven katarischen Gastgeber zu vernachlässigen. Ein solches Vorgehen ist jedoch unsportlich, verstößt es doch gegen die Grundsätze der Gleichberechtigung innerhalb der Sportler*innenschaft. Ein Land wie Katar ist unter solchen Bedingungen kein geeigneter Austragungsort für internationale sportliche Wettbewerbe, da das wichtigste bei diesen Wettbewerben, das Wohlergehen der Sportler*innen, nicht garantiert wird. Die Problematiken von sportlichen Ereignissen in Katar sind dabei nicht nur auf repressive Bekleidungsvorschriften für die weiblichen Teilnehmer*innen beschränkt. Die Fußball Weltmeisterschaft der Männer 2022 hat diese Missstände offensichtlich gemacht. Die unsportlichen, restriktiven Kleidungsvorschriften haben eventuell einen Anlass gegeben, sich mit den weiteren Problemen auseinanderzusetzen und aufgezeigt, dass die Probleme des Sports mit Sexismus und Kommerzialisierung miteinander zusammenhängen. Zumindest für die Problematik der Sportbekleidung gibt es eine einfache Lösung: jede*r Sportler*in darf tragen, was er*sie möchte, sofern der faire sportliche Wettbewerb und die Sicherheit der Sportler*innen nicht beeinträchtigt werden. Einfacher formuliert: wenn eine Sportlerin beim Beachvolleyballturnier in Shorts und Trikot mitmachen möchte, kann sie dies tun. Möchte sie lieber einen Sportbikini tragen, kann sie dies auch tun. Um einen fairen sportlichen Wettbewerb zu gewährleisten, steht das Wohlbefinden der Sportler*innen an oberster Stelle, und dies hängt auch mit einer flexiblen Kleidungswahl zusammen. Nicht nur der Rückzug der Kleidungsordnung beim Turnier, sondern auch die Aufmerksamkeit für die fehlenden Frauenrechte in Katar zeigen: der Boykott durch Sude und Borger war die richtige Reaktion.
Der Fall der norwegischen Beachhandballerinnen erscheint zunächst grundlegend verschieden, dennoch sind Parallelen zu erkennen. Bei der Europameisterschaft der Frauen im Beachhandball, im Juli dieses Jahres in Bulgarien, traten die norwegischen Spielerinnen im Spiel um Platz drei demonstrativ in Sporthosen an. Dies stellte einen Regelbruch dar. Wie auch Beachvolleyball wird Beachhandball von Frauen in der Regel im Sportbikini ausgeübt. Doch während die Pflicht zum Sportbikini im Beachvolleyball 2012 aufgehoben wurde, ist sie im Beachhandball nach wie vor in Kraft. Eine Regelung, welche die Norwegerinnen aufgrund der von ihnen empfundenen Sexualisierung und fehlenden Komforts ablehnten. Der Europäische Handballverband reagierte mit einem Bußgeld in Höhe von 1500 Euro – und löste eine größere Debatte über die Sexualisierung von Sportlerinnen, und damit eine Form des Sexismus, aus.
Aktuelle Regeln des Beachhandballs schreiben für Frauen enganliegende kurze Bikinihosen vor. Männer hingegen dürfen Shorts tragen. Die Vorstellung, dass die männlichen Beachhandballer in engen Slips antreten müssten, mutet abstrus an, obwohl es auch so möglich wäre den Handball ins gegnerische Tor zu befördern. Es wäre dennoch zu erwarten, dass einige der Beachhandballer gegen solch ein Regel demonstrieren würden, da sie es als entwürdigend empfänden. Warum sollen Frauen dann aber in Bikinihöschen spielen müssen? Die Rolle des Frauensports und dessen Kleidungsnormen sind institutionalisiert. Die Sexualisierung des Körpers von Sportlerinnen ist in verschiedenen Sportarten etabliert. Bikinihöschen betonen den Po der Frauen und verstärken so auch die Geschlechterrollen- und Identitäten. Die Kulturwissenschaftlerin Elke Gaugele beschreibt diese Fetischisierung der Frau auch durch ihre Kleidung als „[…] ein […] alltagskulturelle[s] Phänomen im Umgang mit Textilien. Als zentrales Konstitutivum bürgerlichen Begehrens ist er das Bindeglied zwischen der männlichen Schaulust und der Konstruktion von Weiblichkeit als Sinnlichkeit und Erotik.“[3]. Regelwerke in denen Sportbikinis oder andere kurze, stark figurbetonte Sportkleidung (noch) vorgeschrieben sind, haben diese Alltagsnormen vollständig institutionalisiert und juristisch abgesichert. Die Sportlerinnen haben keine andere Wahl, als ihre körperliche Weiblichkeit für das Publikum zur Schau zu stellen, selbst wenn dies von den Frauen als unangenehm empfunden wird. Besonders kritisch sind hier die Fernsehkameras, welche das Geschehen auch für das Internet filmen. Eine Studie, welche die Übertragungen von Frauen-Beachvolleyballspielen während der Olympischen Spiele 2004 untersuchte, kam zu dem Ergebnis, dass 20 Prozent der Kameraeinstellungen den Brustbereich und 17 Prozent der Kameraeinstellungen den Pobereich von Spielerinnen filmten.[4] Die Medien reproduzieren also die sexualisierte Kleidungs- und Rollennorm der Frau und rücken ihre sportlichen Leistungen dabei eher in den Hintergrund.
Obwohl der Sachverhalt der Norwegerinnen als genaues Gegenteil zu dem der deutschen Beachvolleyballerinnen fungieren könnte, haben beide Vorfälle eine Gemeinsamkeit: sie sind das Produkt von gesellschaftlicher Konstruktion der Wirklichkeit, wie sie von Berger und Luckmann in ihrem Klassikerwerk des Sozialkonstruktivismus beschrieben wird. Durch menschliches Handeln entstehen Normen, welche von der Mehrheit der Gesellschaft reproduziert und gestützt werden. Das Niederschrieben in Regelwerken stellt einen Aspekt der Institutionalisierung dieser Normen dar.[5] In unterschiedlichen Gesellschaften entstehen aufgrund anderer Normen andere Wirklichkeiten, anderes Verhalten wird vorausgesetzt. Im Falle Katars ist dies die Unterdrückung des Zeigens von, als unangemessen betrachteter, Weiblichkeit und daraus resultierend ein Zwang lange Kleidung zu tragen. Bei der Beachhandball Europameisterschaft ist dies hingegen das forcierte präsentieren von sexualisierter Weiblichkeit. Beides schränkt den Handlungsspielraum von Frauen ein und ist wenig förderlich für den Sport, da das Wohlbefinden der Sportlerinnen weniger berücksichtigt wird als die Interessen der, häufig männlichen, Zuschauer*innen und Funktionär*innen. Doch auch der Regelbruch aus Protest durch die norwegischen Sportlerinnen hat nach der sozialkonstruktivistischen Theorie von Berger und Luckmann eine Funktion und offenbart einen Wandel in der Gesellschaft und den sexistischen Strukturen des Sports. Innerhalb der konstruierten sozialen Wirklichkeit der Gesellschaft ist der Mensch ein Produkt der Gesellschaft, aber auch in der Lage, die Gesellschaft und ihre Normen zu beeinflussen.[6] Dies geschieht am Beispiel der Sportlerinnen durch aktive Formen des Protests, wie den Bruch institutionalisierter Regeln, was wiederrum Debatten in und Druck aus der Gesellschaft auslösen kann. Diese Änderung des Diskurses und die neuen Formen des Handelns, hier aktiver Protest gegen restriktive Bekleidungsvorschriften, können zur Etablierung neuer Normen führen, beispielsweise eine baldige Aufhebung der Bikinipflicht im Beachhandball. Es wäre ein Schritt weg von der Sexualisierung der Frauen in unserer Gesellschaft und hin zu mehr Entscheidungsfreiheit für die Sportlerinnen, welche zum Spiel anziehen sollten, womit sie sich wohlfühlen, solange der faire und sichere Wettbewerb nicht gefährdet wird.
Beachhandballerinnen in der erlaubten Sportkleidung. |
Und trotzdem Spaß am Sport: die Norwegerinnen in der sanktionierten Kleidung |
Turnen und Wohlfühlen: der praktizierte Normenwechsel der Turnerinnen
Wie ein solcher Normenwechsel sich in der Praxis zeigt, demonstrierten die deutschen Mehrkampfturnerinnen Pauline Schäfer, Kim Bui, Elisabeth Seitz und Sarah Voss dieses Jahr bei den olympischen Sommerspielen in Tokio. Diese traten beim Wettkampf nicht in den üblichen kurzen, enganliegenden Turnerinnentrikots an, sondern in längeren Einteilern. Diese sind nach dem olympischen Regelwerk seit 12 Jahren erlaubt, wurden jedoch selten getragen und dies meist von muslimischen Sportlerinnen. Das Tragen von Einteilern durch westliche Sportlerinnen stellte auch in diesem Fall einen Protest gegen die Sexualisierung derselben dar. Herkömmliche Trikots ermöglichen innerhalb der Choreografien tiefe Blicke, auch für Kameras, zwischen die Beine und auf den Pobereich. Die längeren Ganzkörperanzüge bieten die Möglichkeit, sich vor dieser, eventuell als unangenehm empfundenen Sexualisierung zu schützen, ohne beim Turnen eingeschränkt zu werden. Zum Vergleich: Männer turnen auf Wettbewerben zumeist in langen Steghosen. Die überwiegend positiven und verständnisvollen Reaktionen auf die Entscheidung der Turnerinnen in den Medien offenbaren einen Wandel der Normen innerhalb der Gesellschaft. Statt der Sexualisierung für ein männliches Publikum, steht das Wohlbefinden der Sportlerinnen im Mittelpunkt. Dieser Wandel lässt sich mit der Theorie von Berger und Luckmann erklären: neue Handlungen werden von der Gesellschaft rezipiert, übernommen und können habitualisiert und institutionalisiert werden.[7] Dies ist auch hier der Fall, denn höchstwahrscheinlich werden in kommenden Wettbewerben noch mehr Turnerinnen in den Ganzkörperanzügen zu sehen sein. Der sportlichen Leistung schadet dies nicht, wahrscheinlich ist das Gegenteil der Fall.
Die Sexualisierung von Frauen und ihre Repression liegt stark in der ihnen zugeschriebenen Kleidung begründet. Besonders offensichtlich zeigt sich dies im Sport. Dabei sollte das Wohlbefinden von Sportlerinnen die höchste Priorität haben, wobei restriktive Kleidungsvorschriften für Sportlerinnen dafür nicht zuträglich sind. Um die in der Einleitung formulierte Frage zu beantworten: restriktive Kleiderordnungen existieren in einigen Sportarten, um die etablierte Rolle der Frau in der Gesellschaft zu festigen. Dies äußert sich in unterschiedlichen Gesellschaften auf unterschiedliche Weise. In Katar sollen Beachvolleyballerinnen möglichst viel von ihrem Körper bedecken, und sich so den patriarchalen Verhältnissen des Staates fügen. Bei der Europameisterschaft der Beachhandballerinnen hingegen sollen diese möglichst viel Haut zeigen, um so die etablierte Sexualisierung der Sportlerinnen zu stützen. Und dies, während männliche Sportler in diesen Disziplinen selbstverständlich in Shorts und Tops spielen, vergleichsweise unbeschränkt durch die Regelwerke. Doch die sozial konstruierten Geschlechterrollen in Gesellschaften sind wandelbar. Die etablierten Kleidungsvorgaben für Sportlerinnen können von diesen durch selbstbestimmte Flexibilität in der Kleidungsauswahl ersetzt werden. Dafür müssen Sportlerinnen sich widersetzen und neue Handlungsmöglichkeiten aufzeigen, welche die bisherigen institutionalisierten Normen ersetzen können. Dies zeigt sich besonders deutlich an den deutschen Turnerinnen, die in Tokio auf Ganzkörperanzüge setzten und dafür gesellschaftliche Rückendeckung erfuhren. Ein Wertewandel, der hoffentlich auch bald die Disziplin des Beachhandball erreicht. Die bisherigen Einwände von (überwiegend männlichen) Funktionär*innen, Lockerungen der Kleidungsvorgaben würden zu weniger Zuschauer*innen für die Sportarten führen, lassen sich leicht entkräften: Sport sollte aufgrund der körperlichen Leistungen, der Taktik und des Teamgeistes begeistern. All dies ist auch mit einer flexiblen Kleidungsordnung für Sportlerinnen möglich. Das gesteigerte Wohlbefinden unter den Sportlerinnen könnte sicherlich auch zu neuen Fans und Sportler*innen führen. Bis dahin ist es wichtig, dass sich Sportlerinnen weiterhin unsportlichen Kleidungsvorgaben widersetzen und dadurch für eine Gleichberechtigung der Geschlechter im Sport und in der Gesellschaft kämpfen.
Es tut sich was, und dass ist auch gut so. Das zeigten die deutschen Turnerinnen. |
Literaturverzeichnis
Berger, Peter/ Luckmann, Thomas: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit: Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt a. M.: Fischer, 20. Auflage, 2004.
Bissell, Kimberly/ Duke, Andrea M.: Bump, Set, Spike: An Analysis of Commentary and Camera Angles of Women’s Beach Volleyball During the 2004 Summer Olympics, in: Journal of Promotion Management, Bd. 13, Nr. 1-2, 2007, S. 35 – 52.
Gaugele, Elke: Drags, Garcons und Samtgranaten: Mode als Medium der Gender(de)konstruktion, in: Menges, Gabrielle (Hg.): Kulturanthropologie des Textilen, Berlin: Edition Ebersbach, 2014, S. 305 – 322.
Human Rights Watch: “Everything I Have to Do is Tied to a Man”: Women and Qatar’s Male Guardianship Rules, New York: Human Rights Watch, 2021[1] In diesem Essay wird in der Regel eine inklusive Schreibweise mit dem sogenannten Gendersternchen genutzt. Da sich jedoch meist auf weibliche Sportlerinnen in Wettbewerben bezogen wird, findet dort das generische Femininum Anwendung.
[2] Vgl. Human Rights Watch: “Everything I Have to Do is Tied to a Man”: Women and Qatar’s Male Guardianship Rules, New York: Human Rights Watch, 2021, S. 2 – 10.
[3] Gaugele, Elke: Drags, Garcons und Samtgranaten: Mode als Medium der Gender(de)konstruktion, in: Menges, Gabrielle (Hg.): Kulturanthropologie des Textilen, Berlin: Edition Ebersbach, 2014, S. 308.
[4] Bissell, Kimberly/ Duke, Andrea M.: Bump, Set, Spike: An Analysis of Commentary and Camera Angles of Women’s Beach Volleyball During the 2004 Summer Olympics, in: Journal of Promotion Management, Bd. 13, Nr. 1-2, 2007, S. 35.
[5] Vgl. Berger, Peter/ Luckmann, Thomas: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit: Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt a. M.: Fischer, 20. Auflage, 2004, S. 80.
[6] Vgl. Berger/ Luckmann, 2004, S. 86.
[7] Vgl. Berger/ Luckmann, 2004, S. 86.
Was für ein schönes Weihnachtsgeschenk! Endlich wieder interessante Artikel von dir. Freue mich sehr, wieder mehr von dir zu lesen.
AntwortenLöschen