Hebron liegt etwa 30 Kilometer südlich von Jerusalem und ist eine der ältesten ununterbrochen bewohnten Städte der Welt, gegründet im 3. Jahrtausend vor Christus. Und wie ziemlich viele Städte hier ist auch Hebron von religiöser Bedeutung. Abraham, auf den sich alle drei Weltreligionen beziehen, lebte hier und ist hier, wie auch seine Frau und viele seiner Nachfahren, begraben.
Hebron ist so etwas wie ein Mikrokosmos für den Nahostkonflikt.
Hebron ist so etwas wie ein Mikrokosmos für den Nahostkonflikt.
Den Konflikt an sich merkt man in ganz Palästina, durch Märtyrerplakate und Grafittis, durch Siedlungen auf dem Land. Und auch in Israel, wo Wehrpflicht für jeden gilt und es nichts besonderes ist Menschen mit Sturmgewehr zu sehen (Als IDF-Soldat darf man seine Waffe mit nach hause nehmen, ich glaube über Militärkultur und Sicherheitsmaßnahmen in Israel mache ich nochmal einen seperaten Post).
Aber in Hebron ist der Konflikt, mitten in der Altstadt. Ich weiß das ist etwas schwammig ausgedrückt, aber ihr wisst schon wie ich das meine. Wenn nicht werdet ihr es natürlich gleich erfahren.
Wie kam ich nach Hebron? Joost, der Roadtripper (nicht falsch verstehen) und ich machten eine vom Hostel angebotene Tour mit. Hostels in Palästina sind eher klein, wodurch eine persönliche Atmosphäre entsteht, und was auch dazu führt das nur drei Leute an einer Tour teilnehmen. Ein Vorteil, so eine Tour ist wird dadurch nur interessanter. Unser Guide war Muhammad (wahrscheinlich hab ich das falsch geschrieben, tut mir leid) und der andere war ein New Yorker dessen Namen ich vergessen habe (auch das tut mir leid, du warst ein echt korrekter Typ). Und für 150 Shekel (etwa 35 Euro) mit Servees Fahrten im Preis enthalten kann man sich überhaupt nicht beschweren. Los ging es erst 30 Minuten später als geplant, Pünktlichkeit ist hier ein sehr dehnbarer Begriff.
Wir kamen also in Hebron an, schon auf dem Weg sieht man Siedlungen und Schilder für Straßen die nur von israelischen Autos befahren werden dürfen. Der Marktplatz von Hebron wirkt lebendig, wie in jeder Stadt Palästinas und ist zudem der günstigste der großen Städte Palästinas. Hebron ist das Zentrum der (eher kleinen) Industrie des Westjordanlandes.
Aber: das ist eigenlich gar nicht der ursprüngliche Marktplatz. Wo der lag ist mittlerweile eine israelische Siedlung. Mitten in der Altstadt. Das habe ich spannend gemacht oder?
Aber: das ist eigenlich gar nicht der ursprüngliche Marktplatz. Wo der lag ist mittlerweile eine israelische Siedlung. Mitten in der Altstadt. Das habe ich spannend gemacht oder?
Hebron an sich ist in zwei Zonen untertteilt. H1, welches von der palästinensischen Autonomiebehörde kontrolliert wird und sich wie eine typische Stadt hier anfühlt. Und H2, welches vom israelischen Militär kontrolliert wird, die Siedlung und die Gebiete der Altstadt drumherum. Hier gilt Kriegsrecht, was die israelischen Soldaten sagen, ist Gesetz. In einigen Straßen geht man auf der einen Seite in H1, auf der anderen in H2. Da wo palästinensische Polizisten nicht hingehen ist H2. Deswegen verstecken sich auch viele die von der palästinensischen Polizei gesucht werden in H2.
Schnell findet man die Al-Shuhada Street, oder eher den Checkpoint davor. Diese Straße war mal sowas wie die Hauptstraße des Marktes und der direkte Weg zur Abraham-Moschee (dazu weiter unten mehr). Heute ist sie auch bekannt als Apartheid Street und praktisch eine Geisterstadt. Die Läden wurden geschlossen, wenn überhaupt fahren hier nur die Autos Israelischer Siedler. 95% der Palästinenser die hier lebten haben die Straße verlassen, mal freiwillig, mal eher weniger sagt Muhammad. Die wenigen Palästinenser die hier noch wohnen haben eine Nummer mit der sie (nach einer Kontrolle) die Straße verlassen oder betreten dürfen. Ihre Autos dürfen nicht in die Straße, und überhaupt darf der Großteil von H2 nur von Israelischen Autos befahren werden.
Als Ausländer kommt man zum Glück nach einer kurzen Taschenkontrolle durch den Checkpoint, Muhammad wartet draußen. Wie alle Palästinenser ohne Nummer ist ihm die Al-Shuhada Street verboten. In der Straße ist es ruhig, die alten Gebäude sind eigentlich ganz schön. Fast schon angenehm. Nur ein paar Soldaten und einen der Siedler sehen wir. Ein merkwürdiges Gefühl da zu sein, aber immerhin darf man Fotos machen:
Als Ausländer kommt man zum Glück nach einer kurzen Taschenkontrolle durch den Checkpoint, Muhammad wartet draußen. Wie alle Palästinenser ohne Nummer ist ihm die Al-Shuhada Street verboten. In der Straße ist es ruhig, die alten Gebäude sind eigentlich ganz schön. Fast schon angenehm. Nur ein paar Soldaten und einen der Siedler sehen wir. Ein merkwürdiges Gefühl da zu sein, aber immerhin darf man Fotos machen:
Der Checkpoint vor der al-Shuhada Street |
Die alte Marktstraße ist fast schon angenehm ruhig. Das mit der Tüte ist übrigens Joost. |
Einige Palästinenser leben immer noch hier, mit Gittern schützt man sich vor Angriffen der Siedler mit Flaschen oder Steinen |
Die blauen Gebiete, Teile der Altstadt, sind H2.Die grünen sind H1, wo keine Israelis hindürfen. Auch interessant: die Karte unterteilt zwischen Juden (blau) und Arabern (grün) |
In Hebron leben nur etwa 850 (sic!) Siedler, was jedoch Auswirkungen auf die gesamte Altstadt hat. Neben ideologischen Gründen (man beruft sich auf die Bibel) gibt es auch andere Anreize für Siedler ins Westjordanland zu kommen: es ist günstiger in den Siedlungen, staatlich gefördet, und oftmals, in Hebron aber auf jeden Fall haben Siedler quasi den Befehl über die Soldaten. Die Soldaten. Ich schreibe andauernd über sie, traue mich ehrlich gesagt aber nicht Fotos von ihnen zu machen. Weiter unten in verlinkten Videos seht ihr bestimmt ein paar wenn ihr wollt. Oder halt alle paar Tage in den Nachrichten oder so.
Aber nicht vergessen, nicht ganz H2 (der blaue Bereich) ist Siedlung, auch die Gebiete drumherum unterstehen den Israelis. Um die palästinenser dort kümmern sich israelische Behörden aber kaum, die Menschen hier nehmen die Dinge also selbst in die Hand. In diesen Gebieten gilt aber immer noch Militärrecht, die Siedler kommen öfter mal bewaffnet und in Begleitung von Soldaten in diese Gebiete, wo es dann auch mal zu Schlägereien oder ähnlichem kommt.
Aus der Al-Shuhada Street in die Altstadt (H2), wo viele Läden geschlossen sind. Die Händler hier wissen das die Israelis höchst wahrscheinlich irgendwann die Schließung ihrer Geschäfte erzwingen, sagt Muhammad. Je näher man an die Siedlung kommt, desto mehr Läden sind geschlossen. Und weil kaum einer einkaufen will wo kaum Einkaufsmöglichkeiten sind (und man eventuell von Siedlern belästigt wird) machen die Händler hier sowieso kaum Gewinn.
Aber nicht vergessen, nicht ganz H2 (der blaue Bereich) ist Siedlung, auch die Gebiete drumherum unterstehen den Israelis. Um die palästinenser dort kümmern sich israelische Behörden aber kaum, die Menschen hier nehmen die Dinge also selbst in die Hand. In diesen Gebieten gilt aber immer noch Militärrecht, die Siedler kommen öfter mal bewaffnet und in Begleitung von Soldaten in diese Gebiete, wo es dann auch mal zu Schlägereien oder ähnlichem kommt.
Aus der Al-Shuhada Street in die Altstadt (H2), wo viele Läden geschlossen sind. Die Händler hier wissen das die Israelis höchst wahrscheinlich irgendwann die Schließung ihrer Geschäfte erzwingen, sagt Muhammad. Je näher man an die Siedlung kommt, desto mehr Läden sind geschlossen. Und weil kaum einer einkaufen will wo kaum Einkaufsmöglichkeiten sind (und man eventuell von Siedlern belästigt wird) machen die Händler hier sowieso kaum Gewinn.
Nahe der Siedlung sind die meisten Läden schon zur Schließung gezwungen worden. |
Muhammad zeigt uns das Haus von Saif, das letzte Haus innerhalb der Siedlung das noch einem Palästinenser gehört. Allein in diesem Jahr wurde es mehr als 100 mal von den Siedlern angegriffen, welche mit Steinen, Flaschen und sogar Säure werfen. Das Ziel der Siedler: Saif und seine Familie sollen aus der Siedlung vertrieben werden. Auch Geld haben sie ihm angeboten, weit mehr als sein Haus wert ist. Doch Saif bleibt stur. Die Fenster hat Saif zum Schutz vergittert, seine Tochter ist im Haus mal von Glassplittern verletzt worden nachdem jugendliche Siedler (oftmals die radikalsten unter den Siedlern) eine Flasche durch das Fenster geworfen hatten. Er darf die Fenster zur Siedlung nicht öffnen, musste sie sogar versiegeln. Er darf seine Dachterasse nicht benutzen. Jede Woche durchsuchen Soldaten das Haus. Mehrmals wurde Saif von ihnen geschlagen. In Saifs Haus zeigt uns Muhammad ein Video. Vor einem Jahr brachen Soldaten Saif beide Knie und schlugen ihn einen Freund der ihm helfen wollte zusammen. Zuvor setzten sie Tränengas ein, ein besonders starkes das laut Muhammad eigentlich verboten ist. Das Video zeigt wie Saif mit blutigen Knien humpelnd von Soldaten abgeführt wird, sein Freund hat offenbar eine Platzwunde, beide wirken benommen. Der Soldat der Saif festhält hält seine Nase zu, offenbar weiß er wie stark das Tränengas ist sagt Muhammad. Erst Stunden später kommt Saif ins Krankenhaus, als die Soldaten ihn einfach vor die Tore der Militärbasis (früher ein Gebäude der Stadtverwaltung) schubsen. Saif und sein Freund können sich an diesen Vorfall nicht erinnern, eine Wirkung des Tränengases. Aber das Video zeigt genug.
Ein paar andere Videos auf Saifs Computer zeigen Angriffe durch Siedler, wie sie zum Beispiel versuchen auf die Terasse zu klettern. Dabei sieht man auch wie ein junger Soldat die Siedler fragt, was er den tun solle.
Würden Muhammad und die anderen Stadtführer in Hebron nicht täglich Touristen zu Saifs Haus bringen hätten die Siedler oder Soldaten ihn schon längst vertrieben. Aufmerksamkeit auf das Haus (und auf Hebron) zu lenken ist das beste was er für Saif und all die anderen in H2 tun kann, sagt Muhammad. Gewalttätiger Widerstand und Steine werfen habe den Palästinensern bisher kein bisschen geholfen.
Saifs Haus, von der Marktseite aus (der einzige Eingang den Saif benutzen darf). Hinter dem Zaun ist die Siedlung. |
Wir gehen also durch die immer leerer werdenden Straßen an der Grenze zur Siedlung, schaut man nach oben sieht man israelische Wachtürme und ein Gitter das den Müll auffangen soll. Oft werden die Siedler Abfall in die Marktstraßen, weswegen die Leute hier ein Gitter angebracht haben das diesen auffängt. Nicht nur Müll, auch Eier, Steine und sogar Molotovcocktails werden ab und zu auf die Straßen geworfen. Muhammad zeigt uns ein Video auf seinem Handy. Jugendliche Siedler werfen von einem Dach aus Steine in die Straßen neben der Siedlung. Der Soldat im Wachturm ein paar Meter weiter unternimmt gar nichts. Wo wir bei Dach sind: Obergeschosse dürfen in einem großen Teil von H2 nicht benutzt werden. Zumindest nicht von Palästinensern. Soldaten und Siedler können sich auf den Dächern und Obergeschossen frei bewegen, behelfsmäßige Brücken verbinden die einzelnen Häusergruppen. Um Palästinenser die sich weigerten ihre Obergeschosse zu verlassen zu vertreiben wurden in den 80er Jahren ein paar Häuser bombardiert, ein zerstörtes Haus kann man auch heute noch sehen. Die Siedlungen in Hebron fingen in den 80er Jahren an, das hätte ich auch früher erwähnen können.
Müll auf dem Schutzgitter über dem (hier eher stillen) Markt |
Ein israelischer Wachturm und eine Brücke die Soldaten und Siedler benutzen. |
Diese Straße bei Saifs Haus wurde auch wegen Müll praktisch aufgegeben. |
Ein anderer Checkpoint nahe der Abraham-Moschee. Größere und kleinere Checkpoints gibt es oft in H2, als Ausländer wird man aber kaum kontrolliert. |
Weiter Richtung Abraham Moschee, einige Straßenzüge gleichen einer Geisterstadt. Die Abraham-Moschee ist etwa 3500 Jahre alt (früher war sie ein Palast) und ist der Ort an dem wie gesagt Abraham und seine Familie begraben liegen. Dadurch ist sie auch für Juden und Christen heilig, die hier früher auch gebetet haben, sagt Muhammad. Auch wenn das eigentlich eine Moschee war. In der Geschichte war sie allerdings öfter mal für bestimmte Religionsgruppen nicht zugänglich.
Die Moschee selbst ist in heute in zwei Teile unterteilt, einer für Juden und einer für Muslime. Vor den betreten von beiden wird man natürlich kontrolliert, und Juden dürfen nicht in den muslimischen Teil (israelische Soldaten allerdings schon) und Muslime nicht in den jüdischen Teil. Wir als Touristen durften in beide, und beide Teile sind eigentlich ganz schön, von außen ist das Gebäude eher unspektakulär. In die Machpela, die Höhle in der die Gräber sind dürfen allerdings nur Juden. Und wahrscheinlich auch nur die unter strengen Auflagen, ich habe keine wirklichen Fotos von dieser Höhle finden können.
Die Moschee hat wie vieles hier eine ziemlich blutige Geschichte, 1994 zum Beispiel eröffnete ein Soldat das Feuer auf betende Muslime, 29 Menschen starben, 125 wurden verletzt. Der Amerikanisch-Israelische Attentäter Baruch Goldstein wurde von einem Feuerlöscher getroffen und daraufhin zu Tode geprügelt.
Die Einschusslöcher an der Wand wurden erst vor wenigen Monaten von Soldaten versiegelt, erzählt Muhammad, aber man kann immer noch sehen wo sie waren.
Die Moschee hat wie vieles hier eine ziemlich blutige Geschichte, 1994 zum Beispiel eröffnete ein Soldat das Feuer auf betende Muslime, 29 Menschen starben, 125 wurden verletzt. Der Amerikanisch-Israelische Attentäter Baruch Goldstein wurde von einem Feuerlöscher getroffen und daraufhin zu Tode geprügelt.
Die Einschusslöcher an der Wand wurden erst vor wenigen Monaten von Soldaten versiegelt, erzählt Muhammad, aber man kann immer noch sehen wo sie waren.
Die Abraham-Moschee von außen |
Und von innen, der Gebetsraum ist einer der wenigen in der islamischen Welt wo Männer und Frauen nicht getrennt voneinander beten. |
Die (oder der?) wahrscheinlich älteste Minbar die immer noch genutzt wird, aus 1092. Sowas wie eine Kanzel in einer Kirche und handwerklich ziemlich beeindruckend. |
Wir verlassen die Moschee, eine Schlange Menschen steht vor dem Checkpoint. Ein Mann muss seine Taschen ausleeren, auf dem Tisch liegen eine Zigarettenschachtel, ein Feuerzeug, Handy und ein Portemonnaie (ich muss jedes mal googeln wie man das schreibt). "These Motherfuckers" hört man Muhammad flüstern. Viele der Soldaten in Hebron sind Wehrpflichtige, oftmals unter 20. Wie viele Soldaten in Hebron stationiert sind kann ich auf die schnelle nicht herausfinden, wahrscheinlich gibt es hier aber mehr Soldaten als Siedler.
Und trotzdem wird an jüdischen Feiertagen über ganz H2 eine Ausgangssperre verhängt. Gern würde Muhammad uns auch einen der vielen alten Tunnel unter der Hebroner Altstadt zeigen, doch deren Benutzung haben die Soldaten verboten. Wir gehen zurück, holen uns noch ein bisschen was zu essen. Hebron ist eigentlich eine ganz schöne Stadt, und diese Tour unglaubich interessant. Aber auch ziemlich traurig. Ihr versteht schon wie ich das meine.
Auf einem Hügel bei der Altstadt, wo Siedler wenige Meter entfernt von Palästinensern leben. Leider wollte die israelische Flagge auf dem Haus rechts nicht wehen. Wäre sonst ein cooles Foto. |
Das war es jetzt erstmal zu Hebron, ich hoffe ich konnte das halbwegs gut rüberbringen, ich wollte einfach darüber schreiben. Videos dazu kommen jetzt erstmal nicht, Blogger kommt damit nicht klar oder sowas. Tut mir leid, sucht einfach Hebron palestine oder sowas auf YouTube und tut euch einen Gefallen indem ihr nicht die Kommentare lest.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen